Herren der Lage

 

Miriam Moch 

aus dem Katalog Jean-François Guiton, Hinters Licht, Videoarbeiten 1982 – 2008

 

 

 

Sobald man den Ausstellungsraum betritt, ist man umzingelt von seltsamen Maschinen, die sich dröhnend und stampfend dem Betrachter entgegen neigen, in immer gleicher, stumpfsinniger Bewegung vor und zurück schwingen, ohne dass klar wird, ob sie außer Kontrolle geraten sind oder aber ihren Dienst erfüllen. Angesichts des kalten, rhythmischen Stampfens, das den ganzen Raum erfüllt und den Anschein erweckt, als wären diese Apparate niemals wieder zu stoppen, und den riesigen, an Köpfe erinnernden Elementen, die sich vor uns beinah höhnisch immer wieder verbeugen, drängt sich jedoch recht bald der vage Verdacht auf, dass es mit dem unterwürfigen Dienen nicht weit bestellt ist und wir selbst vielleicht schon längst nicht mehr „Herren der Lage“ sind (wenn wir es denn jemals waren), sondern Knechte unserer eigenen technischen Errungenschaften. Wie schmal der Grad zwischen Perfektion und Chaos, Erfüllung und Untergang in der Beziehung von Mensch und Technik sein kann, zeigen zahlreiche Geschichten, Mythen und Märchen. Angefangen bei Ikaros, der die Grenzen seiner mit Wachs verklebten Flügel überschätzte und in den Tod stürzte, bis hin zu modernen Science-Fiction-Geschichten wie Stanley Kubricks Film 2001 – Odyssee im Weltraum. Dort führen ungewollte menschliche Charakterzüge beim Bordcomputer HAL zur Katastrophe: Der Computer gewinnt die Kontrolle über das Raumschiff und beugt seiner Ausschaltung vor, indem er die Mannschaft tötet. Albtraumhafte Bilder wie diese verdeutlichen recht eindrucksvoll die Angst des Menschen, vom Herrscher durch Technik zum Beherrschten von Technik zu werden. Aber auch utopische Vorstellungen technischer Entwicklung, die getragen sind von der Sehnsucht nach einer besseren (kontrollierbareren) Welt durch eine harmonische Beziehung von Mensch und Maschine, sind das Thema vieler Geschichten; so beispielsweise in der Science-Fiction-Serie Star Trek, wo Data, ein von Menschen geschaffener Android, mit seiner kühlen Rationalität die Mannschaft des Raumschiffs schon oft vor Katastrophen bewahrt hat. Die Installation Herren der Lage verbildlicht auf eindrucksvolle Weise die zweischneidige Beziehung zwischen Mensch und Maschine, indem sie sich zwischen der Utopie einer vermenschlichten, intelligenten Maschine bewegt, die uns zuverlässig im Alltag dient, und dem Albtraum eines sich verselbstständigenden monströsen Apparates, der nicht mehr zu kontrollieren ist. 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Herren der Lage

 

Miriam Moch 

from the catalog Jean-François Guiton, Hinters Licht, Videoarbeiten 1982 – 2008

translation: Rebecca Van Dyck 

 

 

As soon as one enters the exhibition space, one is surrounded by curious droning and pounding machines that lean toward the viewer, that swing back and forth in the invariably same, dull way without us being able to recognize whether they have gone out of control or whether they are serving their intended purpose. However, in view of the cold, rhythmic pounding, which fills the space and makes it appear as if these apparatuses will never be able to be shut down, and of the huge elements reminiscent of buttons that time and again bow before us in an almost taunting way, the vague suspicion soon crops up that we can-not be quite sure about how things stand and that we have perhaps long since ceased to be “masters of the situation” (if we ever were to begin with), but rather slaves to our own technological achievements. Numerous stories, myths, and fairy-tales demonstrate how thin the line can be between perfection and chaos, compliancy and demise in the relationship between humans and technology. Beginning with Icarus, who overestimated the limitations of his wings stuck together with wax and plummeted to his death, and culminating in modern science-fiction stories such as Stanley Kubrick’s fi lm 2001: A Space Odyssey, in which the undesired human features of the on-board computer HAL lead to a disaster: the computer gains control over the spacecraft and prevents its being shut down by killing the crew. Nightmarish images such as these illustrate people’s fear of masters of technology turning into slaves to technology. But utopian notions of technological development, which are sustained by the longing for a better (controllable) world by means of a harmonious relationship between man and machine, are also the subject of a great many stories. Take the science-fiction series Star Trek, for example, in which it was so often the case that owing to his cool rationality, Data, an android created by humans, saved the spacecraft’s crew from a catastrophe. The installation Herren der Lage (Masters of the Situation) illustrates in an imposing way the double-edged relationship between man and machine by moving within the bounds between the utopia of an anthropomorphized, intelligent machine that reliably serves us in everyday life and the nightmare of an autonomous, monstrous apparatus that can no longer be controlled.