Ein herrlicher Blick

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Guido Boulboullé

 2014

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Jean-François Guiton hat eine Videoinstallation konzipiert, die auf den ersten Blick wie eine stimmige Anordnung individueller Videoarbeiten wirkt. Erst im längeren Hinschauen erschließt sich der thematische Zusammenhang der Arbeiten. Die große Projektion zeigt Sitzende auf einer Mauer. Was wir sehen, ist das Schaukelspiel ihrer Beine, die ins Leere hängen. Worauf sie warten, was sie betrachten, bleibt ungewiss. In der unendlichen Dauer des müßigen Wartens entwickelt sich bei ihrer Betrachtung zunehmend ein Gefühl der Leere und der Absurdität. Flankiert wird dieses Video rechts von zwei Monitoren, auf denen in grotesker Weise zwei Rückenfiguren erscheinen, die ihren Kopf in ein Wandloch stecken. Sind sie Illustration des Sprichwortes „mit dem Kopf durch die Wand gehen“? Oder Darstellungen einer ungewöhnlichen Neugier, die nichts verpassen will, selbst wenn es im Nachbarraum stattfindet? Was die beiden antreibt, lässt sich nicht entschlüsseln. Sie werden zu Gefangenen einer Situation, aus der sie sich nicht befreien können. Das Groteske schlägt um ins Unheimliche. Die dritte Videoarbeit zeigt das Auftauchen und Untergehen eines Kopfes, dessen nur erahnter Rumpf im Wasser treibt. Ob jemand taucht, ob ein Leichnam im Wellenspiel vorübertreibt, lässt sich nicht erkennen. Das ständige Auf und Ab wirkt rätselhaft und verdichtet sich allmählich zu einem erschreckenden Alptraum.

Die drei dargestellten Situationen steigern sich von einem müßigen Warten über eine groteske Situation zu einem alptraumhaften Bild. Zugleich verschränken sie sich zu einer rhythmischen Bildfolge, in der sich die die einzelnen Videos übereinander blenden. Das Warten wird zum Alptraum, das Groteske schlägt um ins Sinnlose, das Rätselhafte verwandelt sich in leere Absurdität. Jean- François Guiton nennt die Installation Ein ehrlicher Blick. In allen Videos sind die Blicke der Figuren verborgen und nur zu erahnen. Es ist der Blick des Betrachters, auf den sich der Titel bezieht. Seine Ehrlichkeit könnte darin bestehen, dass er in dem ziellosen Nebeneinander der Ereignisse ein Sinnbild der Vergänglichkeit wahrnimmt. Die Installation wird dann zu einem modernen memento mori, das uns im Blick auf lebendige Vorgänge an den Tod erinnert.