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Bewegungen 

 

Peter Friese 

aus dem Katalog Jean-François Guiton, Hinters Licht, Videoarbeiten 1982 – 2008

 

 

 

Zwei Monitore stehen einander gegenüber und lassen ihre Bilder miteinander korrespondieren. In der Tat geht es bei den Bildern, die zu sehen sind, wie es im Titel bereits anklingt, um zwei Formen von Bewegungen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Auf dem einen Bild sieht man einen Mann, der konzentriert Tai Chi Chuan betreibt. Dieser sich anscheinend selbst genügenden, unablässig kreisenden, Körper und Geist im Fluss haltenden Bewegungsmeditation steht auf dem anderen Monitor eine Fortbewegung gegenüber, die wesentlich schwerfälliger und in sich gebrochener ist. Wir sehen einen älteren Mann, der in unendlich langsam erscheinender Zeitlupe mit einer geschulterten roten Fahne von der einen Seite des Bildes zur anderen geht. Das Auffälligste an ihm aber ist sein fehlender rechter Unterschenkel. Anstelle einer anatomisch geformten Prothese ragt ein simples Holzstück aus seinem Hosenbein. Es ist klar, dass sein Gang dadurch schleppend und zugleich wie abgehackt wirkt. Fernab davon, etwa eine Invalidität zum voyeuristischen Thema einer Videoinstallation zu machen, stehen hier die sich selbst genügenden elegant kreisenden Bewegungen und die schleppenden, in sich gebrochenen einander gegenüber. Auch die Soundtracks beider Monitore könnten verschiedener nicht sein: Während man beim alten versehrten Kommunisten russisches Stimmengewirr und den verfremdeten Klang der Internationale vernimmt, ist es beim Tai Chi Chuan ausübenden jüngeren Mann Vogelgezwitscher. In der Tat haben weder die hier gezeigten Personen noch die Orte, an denen diese Bilder entstanden sind, faktisch etwas miteinander zu tun. Erst durch die von Jean-François Guiton entschiedene Gegenüberstellung entsteht eine Möglichkeit des Vergleichs und einer nur in der Gleichzeitigkeit der Videobilder enthaltenen Wechselwirkung.

Bewegungen 

 

Peter Friese 

from the catalog Jean-François Guiton, Hinters Licht, Videoarbeiten 1982 – 2008

translation: Rebecca Van Dyck 

 

 

Two monitors face each other. Their images correspond. Yet as the title already suggests, the images show two forms of movements that could not be more different. One image shows a man immersed in performing tai chi chuan. This apparently self-sufficient, ceaselessly gyrating meditation in motion that maintains body and mind in flux is contrasted by a movement on the other monitor that could not be more ponderous and subsiding. We see an older man shouldering a red flag and laboriously walking from one side of the image to the other. The most striking thing about him, however, is his missing right calf. Instead of an anatomically formed prosthesis, a simple piece of wood protrudes out of his trouser leg. It is obvious that this is why he is shuffling and his gait is so harsh. Far beyond making invalidity the voyeuristic subject of a video installation, the self-sufficient and elegantly gyrating movements of the one man face the shuffling, subsiding gait of the other. The soundtracks could also not be more different: while one hears a tangle of Russian voices and the alienated sound of the Internationale coming from the monitor with the image of the old, disabled communist, we hear the chirping of birds being emitted from the monitor showing the younger man performing tai chi chuan. Indeed, for all intents and purposes, neither the persons being shown nor the locations at which these images were produced have anything to do with each other. It is not until Jean-François Guiton resolutely contrasts them that the opportunity arises to compare them and experience the reciprocity contained in the concurrence of the video images.